„Gerhard Schröder. Ein Porträt“

Für den Spiegel-Journalisten Jürgen Hogrefe ist Gerhard Schröder ein „außergewöhnlicher Mensch – und ein gewöhnlicher zugleich“. Und weil dieser Mensch Bundeskanzler ist, hat Hogrefe das politische Phänomen Schröder auf mehr als zweihundert Buchseiten porträtiert. Keine Biografie also, sondern ein eher locker essayistisch verfasstes Sammelsurium aus vielfach gehörten Zitaten, wohlweislich gestreuten Anekdoten, allgemeinen Beobachtungen und persönlichen Gesprächen.

Für den Leser stellt sich jedoch bereits vor dem ersten Aufklappen des illustren Buchdeckels die Frage, ob er in diesem Buch mehr finden kann, als er von Schröder ohnehin schon weiß. Über kaum einen Politiker ist in so kurzer Zeit so viel geschrieben worden wie über den teils respektvoll, teils hämisch als „Medienkanzler“ titulierten Schröder.

„Du Schatz, ich komme später, der Flieger ist kaputt“

Sicher: Die Vorurteile über den Mann, der als Kanzler nicht alles anders, aber vieles besser machen wollte, scheinen nach vier Jahren Amtszeit zur Gewissheit geronnen; so etwa die unterstellte Machtbesessenheit, für die ihn seine Genossen schon mal zum „politischen Risiko“ (Johannes Rau) erklärten. Folgerichtig trägt das erste Kapitel des Buches auch die Überschrift: „Macht“. Hogrefe scheint jedoch bei seinen Beobachtungen dem Sonnensystem des Kanzlers etwas zu nahe gekommen zu sein. Er hat sich vom Fixstern Schröder blenden lassen und somit jede nötige Distanz verloren. Vieles bleibt unkommentiert, einiges wirkt arg beschönigend. Man erfährt auch nichts wirklich Neues.

Stattdessen menschelt es in einigen Passagen so heftig, dass der porträtierte Kanzler fast zur eigenen Karikatur verkommt. Geradezu exemplarisch ist folgende Sequenz: Der Bundeskanzler ruft nach einem Essen mit „Persönlichkeiten der politischen Klasse Frankreichs“ seine Frau Doris an: „Du Schatz, ich komme später, der Flieger ist kaputt. Das musst du dir mal vorstellen, da hat der Jacques uns tatsächlich einen seiner Regierungsflieger angeboten. Ist doch doll, oder?“ Nein, das ist nicht toll und schon gar nicht interessant.

Jürgen Hogrefe: „Gerhard Schröder. Ein Porträt“. Siedler-Verlag. 223 Seiten. 19,90 Euro.

Erschienen am 1. Juli 2002, im Darmstädter Echo

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